Irgendwo im Nirgendwo
- Annika Hensel
- 19. Sept. 2019
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Dez. 2019
Als Bayer Leverkusen Fan hat man es nicht immer leicht, das ist nichts Neues! Trotzdem ist es langsam an der Zeit, dass alle Beteiligten sich ein Mal hinterfragen und nach dem Grund suchen, weshalb man egal mit welchen Spielern und egal mit welchem Trainer alljährlich die gleichen Probleme, die gleiche Einstellung und am Ende das gleiche Ergebnis sieht.
Den großen Ambitionen des Vereins, die er aufgrund seines Kaders und seiner, von Peter Bosz vorgegebenen, Spielweise hat, wird man auf eines Neues nicht gerecht. Denn soviel kann man zu diesem Zeitpunkt der Saison schon sagen: eine Weiterentwicklung zur letzten Saison ist nicht zu erkennen, eher ein Rückschritt!

Die Ergebnisse im DFB-Pokal gegen Aachen und in den ersten beiden Bundesligaspielen, gegen Paderborn und Düsseldorf, trügen. Man konnte in keinem dieser Spiele über 90 Minuten überzeugen. Allerdings interessiert das so gut wie niemanden, solange am Ende die drei Punkte oder das Erreichen der nächsten Runde stehen.
Jedoch ließ der erste Dämpfer nicht lange auf sich warten und so war es, dass man gegen Hoffenheim trotz viel Ballbesitz und 19:0 Ecken, kein Tor schoss und über weite Strecken gar ideenlos wirkte. Und das trotz der so hoch gepriesenen offensiven Qualität auf dem Platz. Das Spiel der Werkself wirkte schon wieder geknackt - der Gegner steht tief, macht das Zentrum dicht, nimmt so Kai Havertz aus dem Spiel und überlässt dann Leverkusen den Ball. Nur wissen die nichts damit anzufangen und folgerichtig wird der Ball dann nur in den eigenen Reihen hin und her geschoben, ohne in die gefährlichen Zonen vorzudringen oder Torchancen zu kreieren. Gegen Hoffenheim führte dies noch nicht zu einer Niederlage, was weniger der Leverkusener Defensive, als mehr der nicht vorhandenen Hoffenheimer Offensive geschuldet war.

So wie es kommen musste, ging das Ganze gegen Dortmund, am 4. Spieltag, dann nicht mehr gut. Und es waren wieder die eigenen Unzulänglichkeiten schuld und nicht die Qualität der Dortmunder. Man machte sich das Leben selber schwer und nahm sich durch folgenschwere Abstimmungs- und Stellungsfehler die zum 1:0 und 2:0 führten, selber aus dem Spiel. Die 70% Ballbesitz führten im gesamten Spiel zu lächerlichen zwei Schüssen aufs Tor und selbst bei diesen war man sich nicht ganz sicher, wer denn nun da vorne überhaupt ein Tor schießen soll. Es war also eine verdiente Niederlage, die man sich aber erneut selbst zuzuschreiben hatte.

Darauf folgte dann gestern das erste Champions League Gruppenphasen Spiel gegen Lokomotive Moskau. Es mussten drei Punkte her, gegen den vermeintlich leichtesten Gegner der CL Gruppe, denn die nächsten Gegner werden nicht leichter. Jedoch zeigte sich Leverkusen von einer Seite, die das Blut eines jeden Fan zum kochen brachte! Standfußball gepaart mit körperlosem Spiel und dazu noch ein paar Abspielfehler.
Spieler wie Julian Baumgartlinger, Wendell und auch Karim Bellarabi spielten auf einem Niveau, bei dem es keine Argumente mehr gibt, wieso sie in der Startformation stehen, geschweige denn Stammspieler sind. Und das nicht zum ersten Mal!
Baumgartlinger im defensiven Mittelfeld ist eine Gefährdung für das gesamte Spiel. Ein 6er soll bekanntlich das Spiel stabilisieren und der Offensive den Rücken freihalten. Nichts dergleichen bringt sein Spiel mit. Neben einer Vielzahl an Fehlpässen in der eigenen Hälfte, hat man bei Julian Baumgartlinger immer das Gefühl, dass er alles möchte, nur nicht den Ball. Der als so erfahren beschriebene Kapitän der österreichischen Nationalmannschaft variiert zwischen ein Meter Pässen oder Seitenverlagerungen die so lange in der Luft sind, dass der Gegner in der Zwischenzeit drei Mal seine taktische Aufstellung ändern könnte.
Wendells Entwicklung stagnierte die letzten Jahre. Das hat diese Saison ein Ende genommen, denn er entwickelt sich mit jedem Spiel weiter zurück. Gutes Stellungsspiel und Zweikampfstärke sind mittlerweile nur noch Mangelware, wodurch es für den Gegner ein Einfaches ist, über die Flügel immer wieder gefährliche Angriffe spielen zu können.
Bellarabi hat ein ganz besonderes Privileg unter Peter Bosz: Er ist anscheinend auf der rechten Außenbahn gesetzt. Diese läuft er auch gerne rauf und runter. Jedoch ohne Ertrag. Schätzungsweise 98% seiner "Flanken", bringt er nicht mal in den Strafraum, denn sobald ein Gegenspieler bei ihm in der Nähe steht, ergreift er die Chance und schießt ihn an. Von seiner Schnelligkeit ist auch nur dann noch etwas zu erkennen, wenn er mal wieder zu schnell für den Ball an seinem Fuß war und ihn auf halbem Weg vergisst.

Aber natürlich sind nicht nur diese drei das Problem. Die Tatsache, dass unter 31 Eckbällen aus den letzen drei Pflichtspielen nicht eine Einzige nur ansatzweise gefährlich wurde, grenzt schon fast an Arbeitsverweigerung. Übt Peter Bosz mit seiner Mannschaft keine Ecken? Wie kann es sein, dass egal ob Demirbay, Amiri, Aranguiz oder Havertz - niemand eine ordentliche Ecke in den Strafraum bringt? Das kann mittlerweile kein Zufall mehr sein und wenn man ehrlich ist, eine Mannschaft die von sich selbst sagt, dass sie unter die ersten Vier der Liga möchte und um den DFB-Pokal mitspielen will, sollte die Kunst des Ecken Schießens weitestgehend beherrschen.
Viel schlimmer ist jedoch, dass Peter Bosz, nicht sieht was alle anderen sehen. Entweder das oder er will es nicht sehen. Wie kann es sonst sein, dass noch immer die altbekannten Gesichter auf dem Platz stehen und die neuen Wilden keine Chance bekommen? Letzte Saison hatte Bosz bemängelt dass die Qualität im Kader nicht so hoch sei, dass er die gleiche Qualität einwechseln könnte, wie die die er vom Platz nehmen würde. Deshalb hatte man Leute wie Amiri, Diaby und Sinkgraven geholt. Aber weder diese, noch ein Paulinho oder Retsos, bekommen eine Chance es besser zu machen, als die die auf dem Platz stehen. Und besonders schwierig wäre das sowohl gegen Dortmund als auch gegen Moskau nicht gewesen.
Um deine Spieler zur Höchstleistung zu bringen, musst du ihnen eine Herausforderung bieten und der gesündeste Weg, ist schließlich der Konkurrenzkampf. Also wieso einen Bellarabi 90 Minuten Pseudoflanken schlagen lassen, wenn ein technisch guter junger Franzose auf den Bank sitzt? Wieso gegen einen defensiven Gegner mit Baumgartlinger spielen, wenn du eigentlich jemand kreativen wie Amiri gebrauchen könntest? Wieso, wenn man merkt das die Defensive nicht sattelfest ist, nicht einfach mal Retsos für einen der beiden Innenverteidiger bringen, gerade weil dieser auch Tempo mäßig einen Vorteil hat? Oder Sinkgraven für den desolaten Wendell?
Dazu kommt noch, dass man mit einer dreifach Belastung auch einfach rotieren sollte um für Entlastung zu sorgen.

Viele Fragen - wenig Antworten. Bayer Leverkusen bewegt sich wieder irgendwo im Nirgendwo. Wenn nicht schnellstens die Probleme erkannt werden und Konsequenzen daraus gezogen werden, wird es wieder eine typische Werkself Saison.
Aus in der Gruppenphase der Champions League. Wenn überhaupt geht es runter in die Europa League, da wird aber spätestens im Viertelfinale auch Schluss sein.
Wenn man Glück mit der Auslosung hat, schafft man es ins Viertel- oder Halbfinale des DFB-Pokals, dann geht es wieder gegen die Bayern und trotz eines mutigen Auftritts, verabschiedet man sich aus dem Wettbewerb.
Zu guter Letzt, wird man 6. in der Liga und erreicht am Ende dann noch knapp die Europa League.
Rudi Völler und Co. sind nicht vollkommen zufrieden, aber wollen jetzt auch nicht zu viel meckern, Europa League ist schließlich auch nicht schlecht. Peter Boszs Vertrag wird trotzdem um zwei Jahre verlängert, weil man an ihn glaubt. Kai Havertz wechselt für unter 100 Millionen, weil er seine Leistung nur halbwegs bestätigen konnte. Und das erhaltene Geld wird angelegt und nicht in neue Spieler investiert.
Wundern würde es niemanden mehr. Man kann nur die Daumen drücken, dass es anders kommt.
Deshalb: Auf gehts ihr Schwarz-Roten!
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