Hinrunde < Rückrunde
- Annika Hensel
- 25. Jan. 2019
- 5 Min. Lesezeit
Es kann nur besser werden = mein Resümee der Hinrunde.

Eine Hinrunde mit wenig Höhepunkten und vielen Tiefpunkten ist endlich zu Ende, Heiko Herrlich wurde entlassen und am Ende stand der 9. Tabellenplatz und 24 Punkte. Die Entfernung auf die internationalen Ränge betrug nur 3 Punkte, es stellt sich also die Frage, ob es richtig war Heiko Herrlich zu entlassen, ob Peter Bosz es besser machen kann und was die letzten 17 Spiele mit sich bringen werden.

Als erstes zur Personalie Heiko Herrlich: Wenn man sich die Spiele der Hinrunde in der Bundesliga, im DFB-Pokal und in der Europa League anschaut, wird schnell klar, dass der 9. Tabellenplatz, das Achtelfinale im Pokal und das Erreichen der Zwischenrunde in der Europa League nicht ganz die spielerische Leistung des Vereins wieder spiegelt. Das Ganze hört sich besser an, als es nach einer einfachen Analyse aussieht, denn wie auch schon in den letzten Jahren glich Leverkusen mehr einer Wundertüte als einem Spitzenverein der Bundesliga, der er normalerweise sein sollte. Und obwohl ich kein Verfechter der Taktik bin, die Fehler einer Mannschaft immer als ersten beim Trainer zu suchen, geht es in diesem Fall leider nicht anders. Heiko Herrlichs erste Saison wurde noch getragen durch einzel Akteure, wie Leon Bailey, die durch entscheidende Aktionen oder Tore, das fehlende System verschleierten. In der jetzigen Saison wurde dann allerdings deutlich, dass wenn diese Ausnahmetalente z.B. einen Leistungseinbruch durchleben, Herrlich dies nicht mit einer guten Taktik oder einem guten System kompensieren konnte. Es war mehr Glück als Können, dass Spiele wie das 6:2 in Bremen am 9. Spieltag oder das 5:0 in Gladbach im Pokal, zustande kamen. Es machte nie den Eindruck, dass Herrlich die Mannschaft erreichte und ihr seine Philosophie beibringen konnte, was selbst in seinen eigenen Aussagen deutlich wurde, als er erklärte, dass wenn er der Mannschaft nicht vor jedem Spiel sagt, dass sie alles geben sollen und dass der Verein wichtiger ist als ihre eigne Reputation - die Mannschaft diese Einstellung nicht von alleine auf den Platz brachte. Jetzt kann natürlich jeder sagen, dass es der Mannschaft an Moral fehlte und man es von gestandenen Spielern wie den Bender-Zwillingen, Kevin Volland oder sogar einem Julian Brandt erwarten kann, dass sie diese Eigenschaften selbstständig vorleben und nicht immer wieder mitgeteilt bekommen müssen - falsch ist das nicht, allerdings bin ich der Meinung, dass es die Aufgabe eines guten Trainers ist, die Spieler besser zu machen, sie über sich hinauswachsen zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben, in einem guten und soliden System, ihre Stärken auszubauen und ihre Schwächen zu verbessern. Wenn man das Ausnahmetalent Kai Havertz einmal beiseite lässt, denn dieser hätte sich wahrscheinlich selbst ohne Trainer in diese außergewöhnliche Richtung entwickelt, haben sich die Spieler von Leverkusen, in die eine solche Hoffnung gesteckt wurde, entweder zurückentwickelt, wie im Falle von Leon Bailey oder sie stagnieren seit Jahren, wie ein Julian Brandt. Niemand würde bestreiten, dass diese beiden Spieler ein enormes Talent haben. Um aus diesem Talent aber gestandene Spieler zu machen, die konstant ihre Leistung abrufen können, braucht es einen Trainer der ihnen einen Plan vorgibt, an den sie sich halten und orientieren können. Beide Aspekte sind in der Spielweise und im Auftreten von Heiko Herrlich eigentlich von Beginn an nicht zu sehen gewesen. Also ja, das Abschneiden nach der Hinrunde sieht vielleicht nicht so dramatisch aus, die spielerische Leistung und Weiterentwicklung des Vereins und der Mannschaft allerdings schon - deswegen war die Entlassung von Heiko Herrlich die einzig logische Schlussfolgerung nach 1 1/2 mehr als durchschnittlichen Jahren, in denen sich weder die Mannschaft, noch die einzelnen Spieler verbessert haben.

Zum Rückrundenstart übernimmt also der Niederländer, Peter Bosz, Bayer Leverkusen und es stellt sich die Frage ob und was er verbessern kann. Kann Leverkusen mit ihm unter den ersten 6 Plätzen stehen, am Ende der Saison? Wird seine Spielidee und sein System zur Mannschaft passen? Werden Spieler wie Leon Bailey oder Julian Brandt endlich ihr volles Potenzial ausschöpfen können? Viele Fragen und doch kann man nach dem ersten Rückrundenspiel gegen die Borussia aus Gladbach schon die ersten Schlüsse ziehen.
Wie erwartet liegt Boszs Augenmerk, wie auch schon bei Borussia Dortmund, in der Offensive. Sein System: das 4-3-3! Wichtig hier, für Bosz: Gegenpressing und Schnelligkeit!
Um dies zu gewährleisten spielt Charles Aranguiz den alleinigen 6er und besetzt somit die einzige defensive Mittelfeldposition. Vor ihn stellt Bosz eine Doppelacht, bestehend aus Havertz und Brandt, um sowohl im Gegenpressing als auch in Ballbesitz die Räume für den Gegner besonders eng zu machen und somit immer eine Überzahlsituation zu schaffen.
Das Risiko dieser Spielweise ist leicht erklärt - ist diese erste Pressingreihe überspielt oder kommt es zu einem Fehlpass, bildet sich viel freier Raum für den Gegner vor der eigenen Abwehrreihe und man ist schnell in einer Unterzahlsituation. Sowohl Havertzs, als auch Brandts Part ist es, in der Vorwärts- und Rückwärtsbewegung diese Räume zu besetzen - kommen allerdings beide nicht schnell genug zurück oder verlieren den Zweikampf, ist man folgerichtig direkt in einer Drucksituation. Da beide nicht besonders gelernt in der Defensivarbeit sind, kann es gerade hier zu Lücken kommen.
So auch beim einzigen Tor im Spiel gegen Gladbach, als diese sich durch die Mitte kombinieren und mit einem einzigen Doppelpass das defensive Mittelfeld überspielt hatten und sich dadurch eine Überzahlsituation auf der linken Abwehrseite der Leverkusener erspielten, die Plea eiskalt ausnutzte.
Ein Fehler und du verlierst dieses Spiel, weil du selber das Tor nicht triffst, obwohl genug Chancen dazu da waren. Aber genau diese Tatsache macht Hoffnung! Endlich ist wieder ein System zu erkennen und die Mannschaft konnte im ersten Pflichtspiel unter Bosz schon viele seiner Ideen umsetzen. Du erspielst Torchancen, weil deine Spielidee es hergibt. Du gewinnst Bälle, weil du einem System folgen kannst. Du gehst als Verlierer vom Platz und hast trotzdem das Gefühl das es jetzt endlich wieder bergauf gehen kann.
Die ersten Ansätze waren vielversprechend, auch wenn du mit 0 Punkten vom Platz gehst. Bosz will offensiv spielen, die Leverkusener Spieler können offensiv spielen. Es bleibt abzuwarten, ob Bosz einen besseren Mix von Offensive und Defensive finden kann, als in Dortmund. Wenn das allerdings der Fall ist, werden die positiven Ergebnisse nicht mehr lange auf sich warten lassen!

Fazit: Peter Bosz für Heiko Herrlich war allemal die richtige Entscheidung. Es wird sich wohl schon am nächsten Spieltag, auswärts in Wolfsburg, zeigen in welche Richtung der Trend von Bayer Leverkusen geht. Ob man schon diese Saison wieder mit spielerisch guten Leistungen und der so sehnlich gewünschten Konstanz rechnen kann oder ob die Mannschaft noch Zeit braucht um das neue System zu verinnerlichen.
Trotzdem kann man sagen, dass die ersten Ansätze vielversprechend wirken und z.B. ein Julian Brandt im neuen System offensiv direkt auffälliger und erfolgreicher agiert hat. Wenn dazu ein Jonathan Tah eine ähnliche starke Leistung wie gegen Gladbach zur Routine machen kann, ein Leon Bailey endlich wieder seine Schnelligkeit und Dribbelstärke auf den Platz bringt und der Juwel Kai Havertz seine starke Hinrunde bestätigen kann - dann stehen jedem Leverkusen Fan wieder erfolgreichere Zeiten bevor!
Sehr gute Analyse !